Mittwoch, 8. April 2020

Die Krönung Charles Eisenstein, März 2020




Jahrelang ist die Normalität fast bis zu ihrer Belastungsgrenze gedehnt worden – ein Seil, das straffer und straffer gezogen wurde und nur auf den Schnabelbiss eines schwarzen Schwans gewartet hat, der es mit einem Knall entzweireissen würde. Nun, da das Seil zerrissen ist, werden wir die Enden wieder zusammenbinden, oder sollen wir seine herabhängenden Stränge weiter entflechten, um herauszufinden, was wir aus ihnen weben könnten?

Covid-19 zeigt uns, dass eine phänomenal schnelle Veränderung möglich ist, wenn die Menschheit in gemeinsamer Sache vereint ist. Keines der weltweiten Probleme ist technisch schwierig zu lösen; sie haben ihren Ursprung  in menschlicher Uneinigkeit. Bei Übereinstimmung sind die kreativen Kräfte der Menschheit grenzenlos. Vor ein paar Monaten wäre der Vorschlag, den kommerziellen Flugverkehr einzustellen, grotesk erschienen. Dasselbe gilt für die radikalen Veränderungen, die wir in unserem Sozialverhalten, unserer Wirtschaft, und der Rolle von Regierungen in unserem Leben vornehmen. Covid zeigt die Macht unseres kollektiven Wollens, wenn wir übereinkommen, was wichtig ist. Was könnten wir noch alles erreichen bei Übereinstimmung? Was wollen wir erreichen, und welche Welt sollen wir erschaffen? Das ist immer die nächste Frage, wenn jemand zu seiner Macht erwacht.

Covid-19 ist wie ein Eingriff in der Rehabilitation, der den süchtigmachenden Griff der Normalität aufbricht. Eine Gewohnheit zu unterbrechen bedeutet, sie sichtbar zu machen; es bedeutet, sie von einem Zwang in eine Wahl zu verwandeln. Wenn die Krise abklingt, könnten wir Gelegenheit haben, uns zu fragen, ob wir zur Normalität zurückkehren wollen oder ob es etwas während dieser Pause in der Routine Wahrgenommenes gibt, das wir in die Zukunft einbringen wollen. Wir könnten uns fragen, nachdem so viele ihre Arbeit verloren haben, ob all diese Jobs das sind, was die Welt am meisten braucht, und ob unsere Mühe und Kreativität nicht anderswo besser einsetzbar wäre. Wir könnten uns fragen – nachdem wir eine Zeit lang ohne sie ausgekommen sind – ob wir wirklich so viele Flugreisen, Ferien in Disneyland oder Handelsmessen brauchen. Welche Teile der Wirtschaft werden wir wiederherstellen wollen, und bei welchen Teilen werden wir uns entscheiden, sie aufzugeben? Und – kritischer betrachtet – was von dem, was uns jetzt genommen wird – Bürgerrechte, Versammlungsfreiheit, die Oberhoheit über unseren Körper, persönliches Zusammensein, Umarmungen, Händeschütteln und öffentliches Leben – werden wir möglicherweise brauchen, um sie mit klarem politischen und persönlichen Willen wiederherzustellen.