Mittwoch, 8. April 2020

Die Krönung Charles Eisenstein, März 2020




Jahrelang ist die Normalität fast bis zu ihrer Belastungsgrenze gedehnt worden – ein Seil, das straffer und straffer gezogen wurde und nur auf den Schnabelbiss eines schwarzen Schwans gewartet hat, der es mit einem Knall entzweireissen würde. Nun, da das Seil zerrissen ist, werden wir die Enden wieder zusammenbinden, oder sollen wir seine herabhängenden Stränge weiter entflechten, um herauszufinden, was wir aus ihnen weben könnten?

Covid-19 zeigt uns, dass eine phänomenal schnelle Veränderung möglich ist, wenn die Menschheit in gemeinsamer Sache vereint ist. Keines der weltweiten Probleme ist technisch schwierig zu lösen; sie haben ihren Ursprung  in menschlicher Uneinigkeit. Bei Übereinstimmung sind die kreativen Kräfte der Menschheit grenzenlos. Vor ein paar Monaten wäre der Vorschlag, den kommerziellen Flugverkehr einzustellen, grotesk erschienen. Dasselbe gilt für die radikalen Veränderungen, die wir in unserem Sozialverhalten, unserer Wirtschaft, und der Rolle von Regierungen in unserem Leben vornehmen. Covid zeigt die Macht unseres kollektiven Wollens, wenn wir übereinkommen, was wichtig ist. Was könnten wir noch alles erreichen bei Übereinstimmung? Was wollen wir erreichen, und welche Welt sollen wir erschaffen? Das ist immer die nächste Frage, wenn jemand zu seiner Macht erwacht.

Covid-19 ist wie ein Eingriff in der Rehabilitation, der den süchtigmachenden Griff der Normalität aufbricht. Eine Gewohnheit zu unterbrechen bedeutet, sie sichtbar zu machen; es bedeutet, sie von einem Zwang in eine Wahl zu verwandeln. Wenn die Krise abklingt, könnten wir Gelegenheit haben, uns zu fragen, ob wir zur Normalität zurückkehren wollen oder ob es etwas während dieser Pause in der Routine Wahrgenommenes gibt, das wir in die Zukunft einbringen wollen. Wir könnten uns fragen, nachdem so viele ihre Arbeit verloren haben, ob all diese Jobs das sind, was die Welt am meisten braucht, und ob unsere Mühe und Kreativität nicht anderswo besser einsetzbar wäre. Wir könnten uns fragen – nachdem wir eine Zeit lang ohne sie ausgekommen sind – ob wir wirklich so viele Flugreisen, Ferien in Disneyland oder Handelsmessen brauchen. Welche Teile der Wirtschaft werden wir wiederherstellen wollen, und bei welchen Teilen werden wir uns entscheiden, sie aufzugeben? Und – kritischer betrachtet – was von dem, was uns jetzt genommen wird – Bürgerrechte, Versammlungsfreiheit, die Oberhoheit über unseren Körper, persönliches Zusammensein, Umarmungen, Händeschütteln und öffentliches Leben – werden wir möglicherweise brauchen, um sie mit klarem politischen und persönlichen Willen wiederherzustellen.

Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich das Gefühl, dass sich die Menschheit einer Weggabelung annähert. Immer drohte die Krise, der Kollaps, der Bruch, gerade um die Ecke, aber sie kamen und kamen nicht. Stellt euch vor, ihr geht auf einer Strasse, und vor euch seht ihr sie, ihr seht die Weggabelung. Sie befindet sich nur über dem Hügel, um die Kurve, jenseits des Waldes. Oben auf dem Hügel seht ihr, dass ihr euch geirrt hattet, es war ein Trugbild, es war weiter weg, als ihr dachtet. Ihr geht weiter. Manchmal kommt es in Sicht, manchmal verschwindet es wieder und es scheint, als würde diese Strasse für immer weitergehen. Vielleicht gibt es gar keine Weggabelung. Nein, da ist sie ja wieder! Immer ist sie fast da. Niemals ist sie wirklich da.

Jetzt plötzlich gehen wir um eine Kurve und da ist sie. Wir bleiben stehen, kaum fähig zu glauben, dass es nun endlich passiert, kaum fähig zu glauben, dass wir jetzt, nach Jahren der Gebundenheit an die Strasse unserer Vorfahren, endlich die Wahl haben. Wir haben Recht, stehen zu bleiben, staunend über das Neue an unserer Situation. Denn von den Hunderten Pfaden, die sich vor uns ausdehnen, führen manche in die selbe Richtung, auf die wir bereits zusteuerten. Manche führen in die Hölle auf Erden. Und manche führen in eine Welt heiler und schöner als wir je wagten für möglich zu halten.

Ich schreibe diese Zeilen mit dem Ziel, hier mit euch zu stehen – verwirrt, vielleicht ängstlich, aber auch mit einem Gefühl neuer Möglichkeiten – an diesem Punkt der Scheidewege. Lasst uns manche davon hinunterschauen und sehen, wo sie hinführen.
***

Letzte Woche hörte ich folgende Geschichte von einer Freundin. Sie befand sich in einem Lebensmittelgeschäft und sah eine Frau in einer Ecke weinen. Sie mißachtete die Abstandsregel, ging zu der Frau und umarmte sie. „Danke“, sagte die Frau, „das ist das erste Mal seit 10 Tagen, dass mich jemand umarmt“.

Ein paar Wochen ohne Umarmungen auszukommen erscheint als geringer Preis, wenn es eine Epidemie aufhält, die Millionen Leben kosten könnte. Es gibt ein starkes Argument für das Abstandhalten in der nächsten Zeit: die Überwältigung des medizinischen Systems durch ein plötzliches Ansteigen von Covid-Fällen zu verhindern. Ich würde dieses Argument gerne in einen größeren Kontext stellen, insbesondere wenn wir weiter voraus blicken. Damit wir das Abstandhalten nicht institutionalisieren und die Gesellschaft darum herum bauen, machen wir uns doch bewusst, welche Wahl wir treffen und warum.

Dasselbe gilt für die anderen Veränderungen rund um die Corona-Epidemie. Manche Kommentatoren haben beobachtet, wie sie treffend in eine Agenda totalitärer Kontrolle hineinspielt. Eine ängstliche Öffentlichkeit akzeptiert Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, die man sonst schwer rechtfertigen könnte, wie z.b. das Verfolgen der Bewegungen aller zu jeder Zeit, erzwungene medizinische Behandlungen, unfreiwillige Quarantäne, Beschränkungen bei Reisen und Versammlungsfreiheit, Zensur bei dem, was Autoritäten als Fehlinformation betrachten, Aufhebung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, militärische Überwachung. Vieles davon war bereits vor Covid-19 auf dem Weg; seit diesem Ereignis ist es unwiderstehlich geworden. Dasselbe gilt für die Automatisierung des Handels; für den Übergang von der Teilnahme an Sport und Unterhaltung zum remote viewing; für die Verlagerung des Lebens aus der Öffentlichkeit in Privaträume; für den Übergang von stationären Schulen zur Online-Bildung; für den Niedergang von physischen Geschäften; und für die Verlagerung menschlicher Arbeit und Freizeit auf Bildschirme. Covid-19 beschleunigt bereits vorher existierende Trends auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene.

Während all dies, auf kurze Sicht, auf der Basis des Abflachens der Kurve (der Ausbreitung der Epidemie) gerechtfertigt ist, hören wir auch viel über ein „neues Normal“; das heißt, die Veränderungen müssen überhaupt nicht zeitlich befristet sein. Da die Bedrohung ansteckender Krankheiten, wie diejenige des Terrorismus, niemals verschwindet, können Kontrollmaßnahmen leicht von Dauer sein. Wenn wir ohnehin bereits in diese Richtung unterwegs waren, muss die gegenwärtige Rechtfertigung Teil einer tiefer liegenden Absicht sein. Ich werde diese Absicht in zwei Teilen analysieren: der Kontrollreflex und der Krieg gegen den Tod. So verstanden taucht eine initiatorische Gelegenheit auf, eine, die wir bereits in Form von durch Covid-19 inspirierter Solidarität, durch Mitgefühl und Fürsorge sehen.


Der Kontrollreflex

Während ich dies schreibe sprechen die offiziellen Statistiken davon, dass 25000 Menschen an Covid-19 gestorben sind. Während es seinen Lauf nimmt, könnte die Sterbebilanz zehn- oder einhundertmal größer sein, oder sogar – falls die beunruhigendsten Annahmen richtig sind - tausendmal größer. Jeder dieser Menschen hat andere, die er liebt, Familie und Freunde. Mitgefühl und Gewissen rufen uns auf, zu tun, was wir können, um unnötige Tragödien abzuwenden. Das betrifft mich persönlich: meine eigene, unendlich liebe und schwache Mutter gehört zu den durch eine Krankheit Verletzlichsten, die vor allem Ältere und Kranke tötet.

Was werden die endgültigen Zahlen sein? Diese Frage kann zum Zeitpunkt dieses Textes unmöglich beantwortet werden. Frühe Berichte waren beunruhigend; wochenlang betrug die offizielle Zahl von Wuhan, die endlos in den Medien zirkulierte, schockierende 3,4%. Das, zusammen mit der hochansteckenden Natur des Virus, wies auf 10 Millionen Tote weltweit, oder sogar 100 Millionen. Kürzlich sind die Schätzungen heruntergegangen, da offensichtlich wurde, dass die meisten Fälle mild oder asymptomatisch verliefen. Da die Testung vor allem bei Schwerkranken angewandt wurde, schien die Todesrate unnatürlich hoch. In Südkorea, wo hunderttausende Leute mit milden Symptomen getestet wurde, beträgt die berichtete Todesfallrate ungefähr 1%. In Deutschland, wo auch viele mit milden Symptomen getestet werden, beträgt die Rate 0,4%. Ein kürzlich veröffentlichter Artikel in der Zeitschrift Science argumentiert, dass 86% der Infektionen nicht dokumentiert wurden, was auf eine viel geringere Sterblichkeitsrate hinweist als die gegenwärtig veröffentlichte vermuten lassen würde.

Die Geschichte des Kreuzfahrtschiffes „Diamond Princess“ untermauert diese Ansicht. Von den 3711 Passagieren an Bord wurden 20% viruspositiv getestet; weniger als die Hälfte davon hatten Symptome und acht starben. Ein Kreuzfahrtschiff ist ein perfektes Szenario für Ansteckung, und das Virus hatte viel Zeit, sich auszubreiten, bevor irgendjemand etwas dagegen tat, aber nur ein Fünftel waren infisziert. Dazu tendierte die Belegung des Schiffes – wie bei den meisten Kreuzfahrtschiffen – überwiegend zu älteren Personen: fast ein Drittel der Passagieren waren über 70, und mehr als die Hälfte waren über 60. Ein Forschungsteam schloß aus der großen Zahl asymptomatischer Fälle, dass die wirkliche Todesrate in China ungefähr 0,5% beträgt. Das ist immer noch 5 mal so viel als bei einer Grippe. Auf der Basis des Gesagten (und davon ausgehend, dass die Bevölkerung in Afrika sowie Süd- und Südostasien viel jünger als allgemein  ist) tippe ich auf 200000 bis 300000 Tote in den USA – mehr, falls das medizinische System überfordert ist, weniger, falls die Infektionen sich mit der Zeit verteilen – und 3 Millionen weltweit. Das sind ernstzunehmende Zahlen. Seit der Hongkong-Grippe 1968/69 hat die Welt etwas derartiges nicht mehr erlebt.

Meine Vermutungen könnten von der Größenordnung her leicht daneben liegen. Jeden Tag berichten die Medien die Gesamtzahl der Covid-19-Fälle, aber niemand hat eine Ahnung, was die tatsächliche Zahl ist, denn nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung ist getestet worden. Wenn zehn Millionen das Virus asymptomatisch haben, würden wir es nicht wissen. Was die Angelegenheit weiter verkompliziert ist die hohe Rate – wahrscheinlich zu 80% - falsch positiv Getesteter bei existierenden Tests, (Hier noch beunruhigendere Unsicherheiten die Genauigkeit der Tests betreffend: http://theinfectiousmyth.com/book/CoronavirusPanic.pdf). Lasst mich wiederholen: niemand weiß, was wirklich passiert, mich eingeschlossen. Wir sollten uns zweier, einander widersprechender Tendenzen in menschlichen Angelegenheiten bewusst sein. Die erste ist die Tendenz, dass die Hysterie sich an sich selbst nährt, dass sie Daten ausschließt, die bei der Angst nicht mitspielen, und dass sie die Welt nach ihrem Bild formt. Wie Daniel Schmactenberger fragt: Wie weißt du, dass das, was du glaubst, wahr ist?

Im Angesicht der Unsicherheit möchte ich eine Vorhersage treffen: die Krise wird sich verlaufen, so dass wir es nie wissen werden. Falls der letzliche Todeszoll, der selbst Gegenstand von Auseinandersetzungen sein wird, geringer ist als befürchtet, werden manche sagen, dass es daher kommt, dass die Kontrollen Erfolg hatten. Andere werden sagen, es ist deshalb, weil die Krankheit nicht so gefährlich war, wie uns erzählt wurde.

Für mich ist das verwirrendste Rätsel, warum es zu dem Zeitpunkt, da ich dies schreibe, keine neuen Fälle in China zu geben scheint. Die Regierung hat ihren Lockdown erst weit nachdem sich das Virus etabliert hatte, begonnen. Es hätte sich während des chinesischen Neujahrsfestes, wenn jedes Flugzeug, jeder Zug und Bus mit Leuten vollgestopf ist, die durchs ganze Land reisen, breitflächig ausbreiten sollen. Was passiert hier? Wiederum: ich weiß es nicht, und ihr auch nicht.

Ob die letztendliche Todesrate 50000, 500000 oder 5 Millionen beträgt, lasst uns einige andere Zahlen anschauen, um eine Perspektive zu entwickeln. Was ich sagen will ist nicht, dass Covid nicht so schlimm ist und wir nichts tun sollten. Habt Geduld mit mir. Letztes Jahr sind nach Berichten der FAO 5 Millionen Kinder weltweit an Hunger gestorben (unter den 162 Millionen, die im Wachstum/der Entwicklung gehemmt sind und den 51 Millionen, die abgängig sind). Das sind 200 mal so viele Menschen als die, die bis jetzt an Covid-19 gestorben sind, aber keine Regierung hat den Notstand ausgerufen oder darum gebeten, dass wir unseren Lebensstil radikal ändern um sie zu retten. Noch erleben wir eine vergleichbare Höhe des Aufruhrs und des Handelns rund um den Selbstmord – die bloße Spitze eines Eisbergs der Verzweiflung und Depression – der weltweit mehr als 1 Million Menschen jährlich umbringt und 50000 in den USA. Oder die Überdosierung von Drogen, die 70000 in den USA tötet, die Autoimmun-Epidemie, die 23,5 bis 50 Millionen beeinträchtigt, oder die Fettleibigkeit, die gut über 100 Millionen quält.

Warum bemühen wir uns im Übrigen nicht wie verrückt, um ein nukleares Armageddon oder den ökologischen Kollaps abzuwenden, sondern – ganz im Gegenteil – verfolgen Ziele, die diese Gefahren vergrößern?

Es geht hier bitte nicht darum, dass wir unser Verhalten nicht geändert haben, um Kinder vor dem Hungertod zu retten und dass wir es deshalb auch nicht für Covid-19 tun sollten. Ganz im Gegenteil: wenn wir uns wegen Covid-19 so radikal ändern können, können wir das für diese anderen Bedingungen ebenso. Fragen wir doch danach, warum wir in der Lage sind, unseren kollektiven Willen zu vereinen, um dieses Virus aufzuhalten, aber nicht, um uns anderen schweren Bedrohungen für die Menschheit zuzuwenden. Warum bleibt die Gesellschaft bis jetzt so starr auf ihrer bestehenden Flugbahn?

Die Antwort ist erhellend. Angesichts des weltweiten Hungers, der Abhängigkeit, der Autoimmunkrankheiten, des Selbstmords oder des ökologischen Kollapses wissen wir als Gesellschaft nicht, was wir tun sollen. Die für uns passenden Antworten auf Krisen, die alle eine Form von Kontrolle sind, sind beim Umgang mit diesen Zuständen nicht effektiv. Nun kommt eine ansteckende Epidemie daher und endlich können wir aktiv werden. Es ist eine Krise, bei der Kontrolle funktioniert: Quarantäne, Lockdowns, Isolation, Händewaschen; Bewegungskontrolle, Informationskontrolle, Kontrolle unseres Körpers. Das macht Covid zu einem praktischen Gefäß für unsere rudimentären Ängste, zu etwas, das als Kanal für unser wachsendes Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der Veränderungen, die die Welt übernehmen, fungieren kann. Covid-19 ist eine Bedrohung, mit der wir umgehen können. Anders als so viele unserer sonstigen Ängste offeriert uns Covid-19 einen Plan.

Die etablierten Institutionen unserer Zivilisation sind zunehmend hilflos, wenn es darum geht, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Wie sehr sie doch eine Herausforderung willkommen heißen, mit der sie endlich umgehen können. Wie sehr sie darauf brennen, sie als eine Krise von herausragender Bedeutung zu ergreifen. Wie natürlich doch ihre Systeme des Informationsmanagements die alarmierendsten Darstellungen davon auszuwählen. Wie leicht sich doch die Öffentlichkeit der Panik anschließt und eine Bedrohung annimmt, mit der die Autoritäten umgehen können, stellvertretend für die unterschiedlichen unaussprechbaren Bedrohungen, mit denen sie es nicht können.

Heute unterliegen die meisten unserer Herausforderungen nicht mehr der Gewalt. Unsere Antibiotika und unsere Chirurgie schaffen es nicht, mit der steigenden Gesundheitskrise der Autoimmunität, der Drogenabhängigkeit und der Fettleibigkeit umzugehen. Unsere Gewehre und Bomben, dafür gebaut Armeen zu erobern, sind nutzlos für das Ausradieren des Hasses im Ausland oder dabei, die häusliche Gewalt aus unseren Heimen herauszuhalten. Unsere Polizei und unsere Gefängnisse können die dem Verbrechen zugrunde liegenden Bedingungen nicht heilen. Unsere Pestizide können kaputte Böden nicht wiederherstellen. Covid-19 erinnert an die guten alten Zeiten, als die Herausforderungen ansteckender Krankheiten der modernen Medizin und der Hygiene unterlagen, zur selben Zeit als die Nazis der Kriegsmaschinerie unterlagen und als die Natur selbst sich – so schien es zumindest – der technologischen Bezwingung und Verbesserung unterwarf. Es erinnert an die Tage, als unsere Waffen funktionierten und die Welt sich tatsächlich mit jeder neuen Technologie der Kontrolle zu verbessern schien.

Welche Art von Problem unterliegt der Herrschaft und der Kontrolle? Die Art, die von etwas außerhalb verursacht wird, von etwas „Anderem“. Wenn das Problem etwas Privates ist, wie z.B. Obdachlosigkeit oder Ungleichheit, Abhängigkeit oder Fettleibigkeit, ist da nichts, gegen das man Krieg führen kann. Wir können versuchen, einen Feind zu installieren, indem wir zum Beispiel den Millionären die Schuld geben, Waldimir Putin, oder dem Teufel, aber dann entgeht uns die Schlüsselinformation, wie die Grundbedingungen, die zulassen, dass Millionäre (oder Viren) immer wieder an erster Stelle stehen.

Wenn es eines gibt, das unsere Zivilisation hervorragend beherrscht, dann ist es, einen Feind zu bekämpfen. Wir heißen Gelegenheiten willkommen, das zu tun, was wir gut können, die die Richtigkeit von Technologien, Systemen und Weltanschauungen beweisen. Und so erzeugen wir Feinde, gießen Probleme wie Verbrechen, Terrorismus, und Krankheit in Begriffe von wir-gegen-sie, und mobilisieren unsere kollektiven Energien gegen diese Bestrebungen, die so gesehen werden können. Daher wählen wir Covid-19 aus als einen Ruf zu den Waffen, wobei wir die Gesellschaft reorganisieren wie für eine kriegerische Bestrebung, während wird die Möglichkeit einer nuklearen Katastrophe, eines ökologischen Kollapses, und des Hungertodes von 5 Millionen Kindern als normal behandeln.


Die Geschichte von der Verschwörung

Die Theorien (es gibt viele Varianten) sprechen über den Event 201 (von der Gates-Stiftung, der CIA etc. letzten September gesponsert), und über ein Weißpapier der Rockefeller-Stiftung aus dem Jahr 2010, die ein „Lockstep“ genanntes Szenario genau beschreiben und beide eine autoritäre Antwort auf eine hypothetische Pandemie entwerfen. Sie besagen, dass die Infrastruktur, die Technologie und die legislativen Rahmenbedingungen für das Kriegsrecht bereits seit vielen Jahren vorbereitet werden. Alles, was man brauchen würde, so ihre Aussage, wäre ein Weg um die Öffentlichkeit dazu zu bringen, es anzunehmen, und nun ist er gekommen. Ob die laufenden Kontrollen nun von Dauer sind oder nicht, ein Präzedenzfall wird gesetzt für
·         das Tracking der Bewegungen von Personen zu jeder Zeit (wegen Corona)
·         die Aufhebung der Versammlungsfreiheit (wegen Corona)
·         die militärische Überwachung von Zivilpersonen (wegen Corona)
·         außergerichtliche, unbegrenzte Anhaltung (Quarantäne, wegen Corona)
·         das Verbot von Bargeld (wegen Corona)
·         Zwangsimpfung und andere medizinische Behandlungen, die die Oberhoheit des Staates über unsere Körper etablieren (wegen Corona)
·         die Einteilung aller Aktivitäten und Reiseziele in „ausdrücklich erlaubt“ und „ausdrücklich verboten“ (ihr könnt Euer Heim für dieses verlassen, aber nicht für jenes), wobei die nicht überwachte, nicht gerichtliche Grauzone beseitigt wird. Diese Gesamtheit ist DIE Essenz des Totalitarismus. Jetzt jedoch notwendig, weil, nun, Corona …

Das ist köstliches Material für Verschwörungstheorien. Nach allem was wir wissen, könnte eine dieser Theorien wahr sein; jedoch könnte sich der selbe Gang der Ereignisse auch aus einer unbewussten Neigung des Systems zu immer stärker steigender Kontrolle entfalten. Woher kommt diese Neigung? Sie ist der DNA der Zivilisation quasi eingewoben. Jahrtausende lang hat die Zivilisation (im Gegensatz zu kleinen traditionellen Kulturen) Fortschritt als eine Sache der sich über die Welt ausbreitenden Kontrolle verstanden: das Wilde zähmen, die Barbaren erobern, die Kräfte der Natur beherrschen, und die Gesellschaft gemäß Gesetz und Vernunft ordnen. Der Aufstieg der Kontrolle beschleunigte sich mit der wissenschaftlichen Revolution, die den „Fortschritt“ in neue Höhen beförderte: das Einordnen der Realität in objektive Kategorien und Quantitäten und das Beherrschen des Materiellen durch Technologie. Schließlich versprachen die Sozialwissenschaften, die selben Mittel und Methoden einzusetzen, um den Ehrgeiz zu erfüllen, eine perfekte Gesellschaft zu konstruieren.

Diejenigen, die die Zivilisation verwalten, werden daher jede Gelegenheit willkommen heißen, ihre Kontrolle zu stärken, denn schließlich geschieht dies im Dienst an einer großen Vision des menschlichen Schicksals: die perfekt geordnete Welt, in der Krankheit, Verbrechen, Armut, und vielleicht sogar das Leid selbst aus der Existenz herausorganisiert werden kann. Keine schändlichen Motive sind nötig. Natürlich würden sie gern die Spur jedes Einzelnen verfolgen – umso besser für die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit. Für sie zeigt Covid-19, wie wichtig das ist. „Können wir uns angesichts von Corona demokratische Freiheiten leisten?“ fragen sie. „Müssen wir jetzt, aus Notwendigkeit, diese für unsere eigene Sicherheit opfern?“ Es ist ein vertrauter Refrain, denn er hat andere Krisen in der Vergangenheit begleitet, wie z.B.9/11.

Um eine gängige Metapher wieder aufzugreifen,  stellt euch einen Mann mit einem Hammer vor, der herumspaziert und nach einem Grund sucht, ihn einzusetzen. Plötzlich sieht er einen hervorstehenden Nagel. Er hat seit langem nach einem Nagel gesucht, hat auf Schrauben und Bolzen gehämmert und nicht viel erreicht. Er ist in einer Weltsicht zuhause, in der Hämmer die besten Werkzeuge sind. Und hier ist nun ein Nagel! Wir könnten vermuten, dass er in seinem Eifer den Nagel selbst dort angebracht hat, aber das tut nichts zur Sache. Vielleicht steht auch nicht einmal ein Nagel heraus, aber es ähnelt einem stark genug, um zu hämmern anzufangen. Wenn das Werkzeug bereit liegt, wird eine Gelegenheit auftauchen, es zu verwenden.

Und ich füge hinzu, für diejenigen, die geneigt sind, Autoritäten anzuzweifeln, ist diese Zeit vielleicht wirklich ein Nagel. In diesem Fall ist der Hammer das richtige Werkzeug – und das Prinzip des Hammers wird umso stärker zum Vorschein kommen, bereit für die Schraube, den Druckknopf, die Klammer und den Riß.
So oder so ist das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben, viel tiefgreifender als das, eine böse Clique von Illuminaten zu stürzen. Selbst wenn sie existieren, die Neigung der Zivilisation vorausgesetzt, würde der selbe Trend auch ohne sie weiter bestehen, oder neue Illuminati würden auferstehen und die Funktionen der alten übernehmen.

Richtig oder falsch, die Idee, das eine Epidemie eine monströse Verschwörung ist, die von Bösewichten an der Öffentlichkeit verübt wird, ist von der Denkweise „finde-den-Erreger“ nicht so weit entfernt. Es ist eine Kreuzfahrermentalität, eine Kriegsmentalität. Sie lokalisiert die Quelle soziopolitischer Krankheit in einem Pathogen, gegen das wir dann kämpfen können, ein Täter, der von uns getrennt ist. Damit riskieren wir, die Bedingungen zu ignorieren, die aus der Gesellschaft einen fruchtbaren Boden für das sich Festsetzen einer solchen Fabel macht. Ob der Boden nun willentlich besät wurde oder durch den Wind, ist für mich eine zweitrangige Frage.

Was ich als nächstes sagen werde, ist relevant - ob Covid-19 nun eine genetisch konstruierte Biowaffe ist, mit der Einführung von 5G zusammenhängt, eingesetzt wird um „Enthüllung“ zu verhindern, ein Trojanisches Pferd für eine totalitäre Weltregierung ist, tödlicher ist, als uns erzählt wurde, weniger tödlich ist, als uns erzählt wurde, in einem Biolaboratorium in Wuhan seinen Ursprung hat, aus Fort Detrick stammt oder genau das ist, was uns das CDC und die WHO erzählen. Es gilt auch, wenn jeder total im Unrecht ist bezüglich der Rolle des SARS-CoV-2-Virus in der gegenwärtigen Epidemie. Ich habe meine Meinung, aber wenn es eines gibt, das ich während dieses Notfalls gelernt habe, dann ist es, dass ich nicht wirklich weiß, was passiert. Ich sehe nicht, wie das irgendjemandem möglich sein soll, inmitten des gärenden Kunterbunts an Nachrichten, fake news, Gerüchten, unterdrückter Information, Verschwörungstheorien, Propaganda, und politisierten Geschichten, die das Internet füllen. Ich würde mir wünschen, dass viel mehr Leute es annehmen würden, das sie nichts wissen. Ich sage das sowohl zu denjenigen, die die vorherrschende Geschichte annehmen, als auch zu denen, die auf jene einhauen, die anderer Meinung sind. Welche Information blenden wir vielleicht aus um die Integrität unserer Anschauungen aufrecht zu erhalten? Lasst uns demütig sein in dem, was wir glauben: es ist eine Frage von Leben und Tod.

Der Krieg gegen den Tod

Mein 7-jähriger Sohn hat seit 2 Wochen kein anderes Kind gesehen noch mit einem gespielt. Millionen anderer sitzen im selben Boot. Die meisten würden darin übereinstimmen, dass ein Monat ohne soziale Interaktion für all diese Kinder ein vernünftiges Opfer ist um Millionen Leben zu retten. Aber wie 100000 Leben retten? Und was, wenn das Opfer nicht ein Monat dauert, sondern ein Jahr? Fünf Jahre? Verschiedene Menschen werden verschiedene Meinungen darüber haben, entsprechend ihren zugrundeliegenden Werten.

Ersetzen wir doch die vorstehenden Fragen durch etwas Persönlicheres, das das unmenschliche Zweckdenken durchdringt, welches Menschen in Statistiken verwandelt und manche von ihnen für etwas anderes opfert. Die relevante Frage ist für mich: würde ich all die Kinder einer Nation bitten, eine Saison lang auf das Spielen zu verzichten, wenn es das Sterberisiko meiner Mutter verringern würde, oder im Übrigen auch mein eigenes? Oder ich könnte fragen: würde ich das Ende menschlicher Umarmungen und des Händedrucks verordnen, wenn es mein eigenes Leben retten würde? Das bedeutet nicht, Mutters Leben oder mein eigenes abzuwerten, die beide wertvoll sind. Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem sie noch bei uns ist. Aber diese Fragen werfen tiefe Themen auf. Was ist die richtige Lebensweise? Was ist die richtige Art zu sterben?

Die Antwort auf solche Fragen, ob man sie nun um seiner selbst willen stellt oder um der Gesellschaft im Ganzen willen, hängt davon ab, wie wir den Tod auffassen und wie sehr wir Spiel, Berührung und Zusammensein wertschätzen, zusammen mit zivilen Freiheiten und persönlicher Freiheit. Es gibt keine einfache Formel, um diese Werte in der Waage zu halten.

Während meines Lebens habe ich erlebt, wie die Gesellschaft mehr und mehr Betonung auf Sicherheit, Schutz und Risikominimierung gelegt hat. Das hat insbesondere die Kindheit beeinflusst: als ich ein Junge war, war es für uns normal, eine Meile von zuhause unbeaufsichtigt herumzustreifen – ein Verhalten, das den Eltern heute den Besuch des Jugendamtes einbringen würde. Es zeigt sich auch in Form von Latexhandschuhen für immer mehr Berufe; Handdesinfektionsmittel überall; in abgesperrten, be- und überwachten Schulgebäuden; in intensivierter Flughafen- und Grenzsicherung; in erhöhtem Bewusstsein gesetzlicher Haftung und Haftpflichtversicherung; in Metalldetektoren und Durchsuchungen vieler Sportarenen und öffentlicher Gebäude, und so weiter. Im weiteren Sinn nimmt das die Form des Sicherheitsstaates an.

Das Mantra „Sicherheit hat Vorrang“ stammt von einem Wertesystem, das das Überleben zur Spitzenpriorität macht, und das andere Werte wie Spaß, Abenteuer, Spiel und das Austesten von Grenzen abwertet. Andere Kulturen hatten andere Prioritäten. Zum Beispiel schützen viele traditionelle und indigene Kulturen ihre Kinder weit weniger, wie Jean Liedloff in ihrem Klassiker „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ dokumentiert. Sie erlauben ihnen Risikien und Verantwortungen, die den meisten modernen Menschen verrückt erscheinen würden, da sie glauben, dass dies notwendig ist, damit Kindern Selbstvertrauen und ein gesundes Urteil entwickeln können. Ich glaube, dass die meisten modernen Menschen, insbesondere die jüngeren, sich diese innewohnende Bereitschaft, Sicherheit zu opfern um das Leben voll zu leben, bewahrt haben. Aber die uns umgebende Kultur setzt sich unermüdlich dafür ein, dass wir in Angst leben, und hat Systeme geschaffen, die Angst verkörpern. Darin ist sicher zu bleiben wichtiger als alles andere. Daher haben wir ein medizinisches System, in dem die meisten Entscheidungen auf Risikokalkulation beruhen, und in dem das schrecklichst mögliche Resultat, das das letztliche Versagen des Arztes zum Ausdruck bringt, der Tod ist. Doch währenddessen wissen wir, dass uns der Tod auf jeden Fall erwartet. Ein gerettetes Leben bedeutet tatsächlich einen aufgeschobenen Tod.

Die ultimative Erfüllung des Kontrollprogramms der Zivilisation wäre der Triumph über den Tod selbst. Nachdem das mißlingt, entscheidet sich die moderne Gesellschaft für eine Kopie dieses Triumphs: Verleugnung anstatt Sieg. Unsere Gesellschaft ist eine der Todesverleugnung, beginnend beim Verstecken von Leichnamen, über den Fetisch Jugendlichkeit,  bis zum Aufbewahren alter Leute in Pflegeheimen. Sogar ihre Besessenheit von Geld und Besitz – ein Verlängerung des Selbst, wie das Wort „mein“ anzeigt – drückt die Illusion aus, dass das vergängliche Selbst durch seine Anhängsel beständig gemacht werden kann. All das ist unvermeidlich angesichts der Selbst-Geschichte, die die Modernität anbietet: das abgesonderte Individuum in einer Welt der Anderen. Umgeben von genetischen, sozialen und ökonomischen Mitstreitern, muss dieses Selbst schützen und dominieren um zu gedeihen. Es muss alles tun, was es kann, um den Tod zu vereiteln, der (in der Geschichte der Trennung) totale Vernichtung bedeutet. Die biologische Wissenschaft hat uns sogar gelehrt, dass unsere wahre Natur darin besteht, unsere Chancen auf Überleben und Fortpflanzung zu maximieren.

Ich habe eine Freundin gefragt, eine Ärztin, die einige Zeit bei den Q’ero in Peru verbracht hat, ob die Q’ero (wenn sie könnten) jemanden intubieren würden, um sein Leben zu verlängern. „Natürlich nicht“, sagte sie. „Sie würden den Schamanen rufen, damit er ihm hilft, gut zu sterben.“ Gut sterben (was nicht notwendigerweise dasselbe ist wie schmerzfrei zu sterben) bedeutet nicht viel im heutigen medizinischen Vokabular. Das würde nicht als positives Ergebnis gezählt werden. In der Welt des getrennten Selbst ist der Tod die äußerste Katastrophe.

Aber ist sie das wirklich? Betrachtet einmal diese Perspektive von Dr.Lissa Rankin: „Nicht alle von uns würden in einer Intensivstation sein wollen, isoliert von ihren Lieben, mit einer Maschine, die für sie atmet, mit dem Risiko, allein zu sterben – sogar wenn es bedeutet, dass wir so unsere Überlebenschance erhöhen würden. Manchen von uns wäre es lieber, von unseren Lieben zuhause im Arm gehalten zu werden, auch wenn das bedeutet, dass unsere Zeit gekommen ist … Denkt daran, der Tod ist nicht das Ende. Zu sterben bedeutet, nach Hause zu gehen.“

Wenn das Selbst als zwischenmenschlich, voneinander abhängig, sogar miteinander existierend verstanden wird, greift es in den Anderen über, und der Andere greift in das Selbst über. Wenn man das Selbst als einen Ort des Bewusstseins in einer Matrix der Beziehung begreift, sucht man nicht länger nach einem Feind als Schlüssel zum Begreifen jeglichen Problems, sondern sucht stattdessen nach einem Ungleichgewicht in Beziehungen. Der Krieg gegen den Tod macht Platz für die Suche nach einem guten und vollständigen Leben, und wir erkennen, dass die Furcht vor dem Tod tatsächlich die Furcht vor dem Leben ist. Wieviel vom Leben sind wir bereit aufzugeben, um sicher zu sein?

Der Totalitarismus – die Perfektion von Kontrolle – ist das unvermeidliche Endprodukt der Mythologie des getrennten Selbst. Was außer einer Lebensbedrohung, wie ein Krieg, wäre totale Kontrolle wert? So hat Orwell den permanenten Krieg als wesentliche Komponente der Parteiherrschaft identifiziert.

Vor dem Hintergrund des Programms von Kontrolle, Todesleugnung und getrenntem Selbst steht die Annahme, dass die öffentliche Politik danach streben sollte, die Anzahl der Todesfälle zu minimieren, außer Frage, ein Ziel, dem andere Werte wie Spiel, Freiheit, usw. untergeordnet sind. Covid-19 bietet die Gelegenheit, diese Sicht auszuweiten. Ja, begreifen wir doch das Leben als heilig, heiliger als je zuvor. Der Tod lehrt uns dies. Schätzen wir doch jeden Menschen, jung oder alt, krank oder gesund, als das heilige, wertvolle, geliebte Wesen, das er ist. Und schaffen wir doch im Kreis unserer Herzen auch Raum für andere heilige Werte. Das Leben in Ehren zu halten bedeutet nicht nur, lang zu leben, es bedeutet gut und richtig und in vollem Umfang zu leben.

Wie jede Angst weist auch die Angst rund um das Coronavirus auf das hin, was jenseits davon liegen mag. Jeder, der den Übergang einer nahen Person erlebt hat, weiß, dass der Tod eine Tür in die Liebe ist. Covid-19 hat den Tod in den Vordergrund einer Gesellschaft gerückt, die ihn leugnet. Auf der anderen Seite der Angst können wir die Liebe sehen, die der Tod freisetzt. Lasst sie ausströmen. Lasst sie den Boden unserer Kultur tränken und ihr Bewässerungssystem füllen, so dass sie durch die Risse unserer verkrusteten Institutionen, unserer Systeme und unserer Gewohnheiten sickert. Manche von diesen könnten auch sterben.


In welcher Welt werden wir leben?

Wieviel Leben wollen wir am Altar der Sicherheit opfern? Wenn es uns sicherer macht, wollen wir in einer Welt leben, in der sich menschliche Wesen niemals versammeln? Wollen wir zu jeder Zeit in der Öffentlichkeit Masken tragen? Wollen wir immer, wenn wir reisen, medizinisch untersucht werden, falls das eine gewisse Anzahl Leben pro Jahr rettet? Sind wir willens die „Medikalisierung“ des Lebens im allgemeinen zu akzeptieren und damit die letztendliche Oberhoheit über unseren Körper medizinischen Autoritäten (wie sie von politischen ausgewählt werden) zu übergeben? Wollen wir, dass aus jedem Event ein virtueller Event wird? Wie sehr sind wir willens, in Angst zu leben?

Covid-19 wird letzten Endes abklingen, aber die Gefahr infektiöser Krankheiten besteht weiter. Unsere Reaktion darauf legt die Richtung fest für die Zukunft. Das öffentliche Leben, das Gemeindeleben, das Leben geteilter Körperlichkeit ist seit mehreren Generationen rückläufig. Statt dass wir in Geschäften einkaufen, lassen wir uns Dinge nach Hause liefern. An Stelle von Rudeln von Kindern, die draußen spielen, haben wir virtuelle Verabredungen zum Spielen und digitale Abenteuer. Anstelle des öffentlichen Platzes haben wir das Onlineforum. Wollen wir uns weiterhin immer mehr von einander und von der Welt isolieren?

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen – insbesondere falls das soziale Abstandhalten erfolgreich ist – dass Covid-19 über die 18 Monate hinaus dauert, von denen man uns erzählt, dass sie für seinen Verlauf zu erwarten sind. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass während dieser Zeit neue Viren zum Vorschein kommen. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass Notfallsmaßnahmen normal werden (um so der Möglichkeit eines weiteren Ausbruchs vorzubeugen), so wie auch der Ausnahmezustand, der nach 9/11 ausgerufen wurde, immer noch in Kraft ist. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass (wie uns gesagt wird), eine Neuinfektion möglich ist, so dass die Krankheit niemals „ihren Lauf nimmt“. Das bedeutet, dass die vorübergehenden Veränderungen in unserer Lebensweise von Dauer sein könnten.

Sollen wir, um das Risiko einer weiteren Pandemie zu minimieren, uns entscheiden, für immer und ewig in einer Gesellschaft ohne Umarmungen, Händeschütteln und Abklatschen zu leben? Sollen wir uns entscheiden, in einer Gesellschaft zu leben, in der wir uns nicht mehr in der Masse treffen? Sollen Konzerte, sportliche Wettbewerbe, und Festivals eine Sache der Vergangenheit sein? Sollen Kinder nicht mehr mit anderen Kinder spielen? Soll jeder menschliche Kontakt durch Computer und Masken vermittelt werden? Keine Tanzkurse mehr, keine Karatekurse, keine Konferenzen, keine Kirchen? Wird die Reduzierung von Todesfällen der Standard sein, an dem der Fortschritt gemessen wird? Bedeutet die Weiterentwicklung der Menschheit Trennung? Ist das die Zukunft?

Die selbe Frage bezieht sich auch auf die administrativen Werkzeuge, die notwendig sind, um die Bewegungen der Menschen und den Informationsfluss zu kontrollieren. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Textes bewegt sich das ganze Land in Richtung Lockdown. In manchen Ländern muss man ein Formular von einer Regierungswebsite ausdrucken, damit man das Haus verlassen darf. Das erinnert mich an die Schule, wo der eigene Aufenthaltsort zu jeder Zeit genehmigt werden muss. Oder an ein Gefängnis. Stellen wir uns für immer eine Zukunft elektronischen Durchschreitens von Sälen vor, ein System, in der Bewegungsfreiheit jederzeit von staatlicher Verwaltung und ihrer Software bestimmt wird? In der jede Bewegung aufgezeichnet wird, entweder erlaubt oder verboten? Und in der Information, die unsere Gesundheit bedroht – zu unserem Schutz –  (was wiederum von diversen Autoritäten entschieden wird) zensiert wird? Im Angesicht eines Notfalls akzeptieren wir, wie bei einem Kriegszustand, solche Einschränkungen und geben vorübergehend unsere Freiheiten auf. Ähnlich wie 9/11 übertrumpft Covid-19 alle Einwände.

Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es die technischen Mittel, um solch eine Vision zu realisieren, zumindest in der entwickelten Welt (z.B. die Verwendung von Standortbestimmungen per Handy, um das Abstandhalten zu erzwingen). Nach einem holprigen Übergang könnten wir in einer Gesellschaft leben, in der fast jegliches Leben online stattfindet: einkaufen, einander treffen, Unterhaltung, Kontakte knüpfen, arbeiten, sogar Verabredungen. Wollen wir das? Wieiviele gerettete Leben ist das wert?

Ich bin mir sicher, dass viele der derzeit wirksamen Kontrollen in ein paar Monaten zum Teil gelockert werden. Teilweise gelockert, aber griffbereit. Solange infektiöse Krankheiten uns begleiten besteht die Wahrscheinlichkeit, dass uns die Kontrollen wieder auferlegt werden, wieder und wieder, in der Zukunft, oder wir erlegen sie uns selbst in Form von Gewohnheiten auf. Wie Deborah Tannen in einem Beitrag in der Zeitschrift „Politico“ darüber sagt, wie Corona die Welt auf Dauer verändern wird: „Wir wissen jetzt, dass es riskant sein kann, Dinge zu berühren, mit anderen zusammen zu sein, und die Luft in einem abgeschlossenen Raum zu atmen … Es könnte uns zur zweiten Natur werden, vor einem Händedruck zurückzuweichen oder unser Gesicht zu berühren – und wir könnten alle mit einer die ganze Gesellschaft erfassenden Zwangsneurose daraus hervorgehen, da niemand mehr aufhören kann, seine Hände zu waschen.“ Wird nach Tausenden von Jahren, Millionen von Jahren der Berührung, des Kontakts und des Zusammenseins der Höhepunkt menschlichen Fortschritts darin bestehen, dass wir solche Aktivitäten aufgeben, weil sie zu riskant sind?

 

Leben ist Gemeinschaft

Das Paradoxon des Kontrollprogramms ist, dass sein Fortschreiten uns selten seinem Ziel näherbringt. Trotz Sicherheitssystemen in fast jedem Heim der gehobenen Mittelklasse sind die Menschen nicht weniger ängstlich und unsicher als sie es eine Generation zuvor waren. Trotz ausgefeilter Sicherheitsmaßnahmen erleben die Schulen  nicht weniger Massenschußattentate. Trotz eines phänomenalen Fortschritts in der medizinischen Technologie sind die Menschen während der letzten dreißig Jahre womöglich weniger gesund geworden, da sich chronische Krankheiten ausgebreitet haben und die Lebenserwartung stagniert ist bzw. in den USA und Großbritannien sogar begonnen hat, herunterzugehen.

Die Maßnahmen, die eingeführt wurden, um Covid-19 zu kontrollieren, könnten letzten Endes zu mehr Leid und Tod führen als sie verhindern. Todesfälle zu minimieren bedeutet, die Todesfälle zu verringern, die wir vorhersagen und messen können. Es ist unmöglich, die zusätzlichen Todesfälle zu messen, die z.B. durch von Isolation ausgelöster Depression kommen könnten, oder von der Verzweiflung, die durch Arbeitslosigkeit, von der verringerten Immunität und Verschlechterung der Gesundheit, die durch chronische Angst verursacht wird. Es hat sich gezeigt, dass Einsamkeit und ein Mangel an Sozialkontakt Entzündungen, Depressionen und Demenz erhöht. Nach Dr.Lissa Rankin erhöht die Luftverschmutzung das Sterberisiko um 6%, Fettleibigkeit um 23%, Alkoholmißbrauch um 37% und Einsamkeit um 45%.

Eine weitere Gefahr, über die nicht Buch geführt wird, ist die Verschlechterung der Immunität durch exzessive Hygiene und Abstandhalten. Nicht nur Sozialkontakte sind nötig für die Gesundheit, sondern auch der Kontakt mit der Welt der Mikroben. Im allgemeinen sind Mikroben nicht unsere Feinde, sondern unsere Verbündeten für die Gesundheit. Ein vielfältiges Mikrobiom im Darm, das Bakterien, Viren, Hefe, und andere Organismen umfasst, ist für das gute Funktionieren des Immunsystem wesentlich, und seine Vielfalt wird durch den Kontakt mit anderen und mit der Lebenswelt aufrecht erhalten. Exzessives Händewaschen, ein übermäßiger Einsatz von Antibiotika, aseptische Reinlichkeit und ein Mangel an menschlichem Kontakt könnte mehr schaden als  Gutes tun. Die daraus resultierenden Allergien und Autoimmunerkrankungen könnten schlimmer sein als die Infektionskrankheit, an deren Stelle sie treten. Sozial und biologisch kommt Gesundheit aus der Gemeinschaft. Das Leben gedeiht nicht in Isolation.

Wenn wir die Welt in Begriffen von wir-gegen-sie sehen, werden wir blind für die Wirklichkeit, dass Leben und Gesundheit in Gemeinschaft passieren. Um das Beispiel ansteckender Krankheiten herzunehmen, machen wir den Fehler, nicht über das böse Pathogen hinauszuschauen und die Frage zu stellen, was die Rolle von Viren im Mikrobiom ist (siehe auch hier: https://www.youtube.com/watch?v=TRVxTBuvChU). Unter welchen körperlichen Bedingungen breiten sich schädliche Viren aus? Warum haben manche Menschen leichte Symptome und andere schwere (neben der umfassenden Nicht-Erklärung der „geringen Widerstandskraft“)? Welche positive Rolle könnten Grippe, Erkältung und andere nicht tödliche Krankheit in der Aufrechterhaltung der Gesundheit spielen?

Das Krieg-gegen-Keime-Denken bringt Ergebnisse, die mit denen des Kriegs gegen den Terror, des Kriegs gegen das Verbrechen, des Kriegs gegen Unkraut, und der endlosen Kriege verwandt sind, die wir auf der zwischenmenschlichen und der politischen Ebene führen. Zunächst einmal bringt es endlosen Krieg hervor; zweitens lenkt es die Aufmerksamkeit ab von den Grundbedingungen, die Krankheit, Terrorismus, Verbrechen, Unkraut und alles andere erzeugen.

Trotz der über Jahre fortdauernden Behauptung der Politiker, dass sie Krieg führen um des Friedens willen, bringt Krieg unvermeidlich mehr Krieg hervor. Länder zu bombardieren um Terroristen zu töten ignoriert nicht nur die Grundbedingungen für Terrorismus, es verschlimmert diese Bedingungen. Verbrecher wegzusperren ignoriert nicht nur die Bedingungen, die Verbrechen hervorbringen, es erschafft diese Bedingungen, indem es Familien und Gemeinschaften auseinanderbricht und die Eingekerkerten in die Kriminalität einführt. Und Gaben von Antibiotika, Impfungen, antiviralen Mitteln und anderer Medizin richten in der Ökologie des Körpers verheerenden Schaden an, die die Grundlage eines starken Immunsystems ist. Außerhalb des Körpers richten die massiven Sprühaktionen, die von Zika, Dengue Fieber und nun Covid-19 entfacht wurden, ungeheuren Schaden an der Ökologie der Natur an. Hat irgendjemand in Betracht gezogen, was die Auswirkungen auf das Ökosystem sein werden, wenn wir es mit antiviralen Stoffen begießen? Eine solche Politik (die an verschiedenen Orten in China und Indien angewandt wurde) ist nur aus der Mentalität der Trennung denkbar, die nicht versteht, dass Viren ein wesentlicher Bestandteil des Lebensnetzes sind.

Um zu verstehen, worum es bei den Grundbedingungen geht, sehen wir uns doch ein paar Sterblichkeitsstatistiken aus Italien (vom Nationalen Gesundheitsinstitut) an, die auf der Analyse von Hunderten Covid-19 Todesfällen basieren. Von den Untersuchten waren weniger als 1% frei von schwerwiegenden chronischen Gesundheitsproblemen. Etwa 75% litten an Bluthochdruck, 35% an Diabetes, 33% an mangelnder Durchblutung des Herzens, 24% an Vorhofflimmern, 18% an eingeschränkter Nierenfunktion, zusammen mit anderen Problemen, die ich in dem italienischen Bericht nicht entziffern konnte. Fast die Hälfte der Verstorbenen hatten drei oder mehr dieser schwerwiegenden Krankheitsbilder. Amerikaner, betroffen von Fettleibigkeit, Diabetes, und anderen chronischen Leiden, sind mindestens genauso verletzlich wie Italiener. Sollen wir also dem Virus die Schuld geben (das nur wenige, sonst gesunde Menschen getötet hat), oder sollen wir der zugrundeliegenden schlechten Gesundheit die Schuld geben? Hier kommt wieder die Analogie des gespannten Seils zur Anwendung. Millionen Menschen in der modernen Welt sind in einem bedenklichen Gesundheitszustand, und warten nur auf etwas, das normalerweise trivial ist, um sie über den Jordan zu schicken. Natürlich wollen wir kurzfristig ihr Leben retten; die Gefahr ist, dass wir uns selbst in einer endlosen Abfolge von Kurzfristigkeiten verlieren, indem wir eine Infektionskrankheit nach der anderen bekämpfen, und uns nie um die zugrunde liegenden Bedingungen kümmern, die die Menschen so verletzlich machen. Das ist ein viel schwierigeres Problem, denn diese Bedingungen ändern sich nicht durch Kämpfen. Es gibt keinen Krankheitserreger, der Diabetes oder Fettleibigkeit, Abhängigkeit, Depression oder posttraumatische Belastungsstörung verursacht. Deren Ursachen sind nicht etwas im Außen, kein Virus, das von uns getrennt ist und wir sind seine Opfer.

Sogar bei Krankheiten wie Covid-19, bei denen wir einen Krankheitserreger benennen können, ist die Sache nicht so einfach wie ein Krieg zwischen Virus und Opfer. Es gibt eine Alternative zur Theorie der Keime bei Krankheiten, die davon ausgeht, dass Keime Teil eines größeren Prozesses sind. Wenn die Voraussetzungen stimmen, vermehren sie sich im Körper, wobei sie den Wirt manchmal töten, aber möglicherweise auch die Bedingungen verbessern, die für sie zu Anfang die Voraussetzungen geschaffen hatten, z.B. indem sie angesammelten toxischen Müll durch Schleimauswurf ausmisten oder (metaphorisch gesprochen) ihn durch Fieber verbrennen. Manchmal als „Bodentheorie“ bezeichnet, besagt sie, dass Keime eher ein Symptom als die Ursache von Krankheit sind. Wie ein Memo erklärt: „Dein Fisch ist krank. Keimtheorie: isoliere den Fisch. Bodentheorie: reinige das Aquarium.“

Eine gewisse Schizophrenie plagt die moderne Gesundheitskultur. Auf der einen Hand gibt es eine blühende Wellnessbewegung, die alternative und holistische Medizin einschließt. Sie plädiert für Kräuter, Meditation, und Yoga, um das Immunsystem zu fördern. Sie wertschätzt die emotionalen und spirituellen Dimensionen von Gesundheit, wie z.B. die Macht der Haltungen und Glaubenssätze, krank zu machen oder zu heilen. Das alles scheint unter dem Covid-Tsunami verschwunden zu sein, während die Gesellschaft der alten orthodoxen Haltung anheimfällt.

Ein typisches Beispiel: die Akupunkteure in Kalifornien wurden gezwungen, zuzusperren, da sie als „nicht lebensnotwendig“ eingestuft wurden. Das ist aus Sicht der konventionellen Virologie vollkommen verständlich. Aber wie ein Akupunkteur auf Facebook bemerkte: „Wie sieht es mit dem Patienten aus, an dem ich arbeite, um von den Opiaten für seine Rückenschmerzen loszukommen? Er wird wieder gezwungen sein, sie zu nehmnen.“ Aus der Weltsicht medizinischer Autoritäten sind alternative Behandlungsweisen, soziale Interaktion, Yogastunden, Nahrungsergänzungsmittel usw. frivol, wenn es um reale Krankheiten geht, die von realen Viren verursacht werden. Sie werden angesichts der Krise in ein ätherisches Reich der „Wellness“ verwiesen. Das Wiederauferstehen der Orthodoxie unter Covid-19 ist so intensiv, dass alles nur im entferntesten Unkonventionelle, wie z.B. intravenöses Vitamin C, bis vor 2 Tagen in den USA vollkommen vom Tisch war (es gibt immer noch zahlreiche Artikel, die den „Mythos“ „entlarven“, dass Vitamin C im Kampf gegen Covid-19 helfen kann). Auch habe ich nicht gehört, dass das Krankheitskontrollzentrum (CDC) den Nutzen von Holunder, medizinischen Pilzen, Reduzierung des Zuckerkonsums, N-acetyl L-cystein (NAC), Astragalus, oder Vitamin D propagiert hätte. Diese sind nicht nur weichliche Spekulation über „wellness“, sondern werden gestützt durch extensive Forschung und physiologische Erklärungen. Bei NAC zum Beispiel wurde in einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie(https://erj.ersjournals.com/content/10/7/1535.long) gezeigt, dass es das Auftreten und die Schwere von Symptomen bei grippeähnlichen Krankheiten radikal reduziert.

Wie die Statistiken über Autoimmunkrankheiten, Fettleibigkeit, etc anzeigen, die ich weiter oben erwähnt habe, sehen sich Amerika und die moderne Welt im allgemeinen einer Gesundheitskrise gegenüber. Ist die Anwort darauf, das zu tun, was wir bisher getan haben, nur noch gründlicher? Die Antwort auf Covid war bis jetzt, den Einsatz orthodoxer Methoden zu verdoppeln und unkonventionelle Praktiken und abweichende Standpunkte beiseite zu fegen. Eine andere Antwort könnte es sein, unsere Sicht zu erweitern und das ganze System zu überprüfen, einschließlich dessen, wer dafür zahlt, wie der Zugang gewährt wird und wie die Forschung finanziert wird, aber auch uns auszudehnen, um weniger bedeutende Bereiche wie Kräutermedizin, funktionelle Medizin und Energiemedizin einzubeziehen. Vielleicht können wir diese Gelegenheit ergreifen, um vorherrschende Theorien von Krankheit, Gesundheit und Körper neu zu bewerten. Ja, schützen wir doch den erkrankten Fisch so gut wir es jetzt können, aber vielleicht müssen wir ihn nächstes Mal nicht isolieren und so viele Fische mit Medikamenten vollstopfen, wenn wir das Aquarium doch reinigen können.

Ich sage Euch nicht, Ihr sollt jetzt gleich hinauslaufen und NAC oder irgendeine andere Nahrungsergänzung kaufen, noch dass wir als Gesellschaft abrupt unsere Antwort verlagern, das Abstandhalten sofort aufgeben und stattdessen Nahrungsergänzung einnehmen sollen. Aber wir können die Pause in der Normalität nützen, diese Pause an einer Weggabelung, um bewusst zu wählen, welchem Pfad wir folgen, während wir uns weiterbewegen: welche Art von Gesundheitssystem, welches Gesundheitsmodell, welche Art von Gesellschaft. Diese Neubewertung passiert bereits, da Ideen wie eine allgemeine kostenlose Gesundheitsversorgung in den USA neue Fahrt aufnimmt. Und dieser Weg führt auch zu Gabelungen. Welche Art von Gesundheitsversorgung wird allgemein eingeführt werden? Wird sie nur für alle verfügbar oder für alle verpflichtend sein – jeder Bürger als Patient, vielleicht mit einer Barcode-Tätowierung aus unsichtbarer Tinte, die sicherstellt, dass man bei allen verpflichtenden Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen auf dem Laufenden ist. Dann kann man in die Schule gehen, ein Flugzeug besteigen oder ein Restaurant betreten. Das ist ein Weg in die Zukunft, der uns zur Verfügung steht.

Eine andere Option steht jetzt ebenfalls zur Verfügung. Anstatt die Kontrolle zu verdoppeln könnten wir endlich die ganzheitlichen Modelle und Praktiken annehmen, die schon  an der Seite stehen und darauf warten, dass sich das Zentrum auflöst, so dass wir sie, in unserem gedemütigten Zustand ins Zentrum rücken und ein neues System um sie herum bauen können.


Die Krönung

Es gibt eine Alternative zum Paradies der perfekten Kontrolle, die unsere Zivilisation so lange betrieben hat und das so schnell zurückweicht wie unser Fortschritt - wie eine Fata Morgana am Horizont. Ja, wir können uns auch wie zuvor weiterhin den Pfad zu größerer Abschottung, Isolierung, Dominanz und Trennung hinunterbewegen. Wir können größere Stufen der Trennung und Kontrolle zur Normalität werden lassen, glauben, dass sie notwendig sind, um uns Sicherheit zu geben, und eine Welt akzeptieren, in der wir uns fürchten, einander nahe zu sein. Oder wir können die Pause, diese Unterbrechung der Normalität, nützen um einen Weg zur Wiedervereinigung, zur Ganzheit, zur Wiederherstellung verlorener Verbindungen, zur Instandsetzung von Gemeinschaft und dazu einzuschlagen, uns dem Netz des Lebens wieder anzuschließen.

Verdoppeln wir den Schutz des getrennten Selbst, oder nehmen wir die Einladung in eine Welt an, wo wir alle gemeinsam hier sind? Auf diese Frage treffen wir nicht nur in der Medizin: sie sucht uns politisch auf, ökonomisch, und genauso in unserem persönlichen Leben. Nehmt z.B. das Thema Hamstern, das die Idee verkörpert „Es gibt nicht genug für jeden, daher werde ich sicherstellen, dass es für mich genug gibt.“ Eine andere Reaktion könnte sein: „Manche haben nicht genug, also werden ich mit ihnen teilen, was ich habe“. Sollen wir Überlebenskünstler sein oder Helfer? Wozu ist das Leben da?

In größerem Umfang stellen Menschen Fragen, die bis jetzt im Randbereich der Aktivisten gelauert haben. Was sollen wir mit den Obdachlosen tun? Was sollen wir mit den Menschen in Gefängnissen tun? In den Slums der Dritten Welt? Wie sollen wir mit den Arbeitslosen umgehen? Wie sieht es mit all den Hotelangestellten, den Taxifahrern, den Installateuren und Hausmeistern und Busfahrern und Kassiererinnen aus, die nicht von zuhause aus arbeiten können? Und so erblühen nun endlich Ideen, wie ein Schuldenerlass für Studierende und ein allgemeines Grundeinkommen. „Wie schützen wir diejenigen, die auf Covid empfindlich sind?“ lädt uns dazu ein, zu fragen „Wie sorgen wir für verletzliche Menschen im allgemeinen?“

Das ist der Impuls, der sich in uns rührt, ungeachtet der Oberflächlichkeiten unserer Meinungen über die Schwere von Covid, über seinen Ursprung oder die beste Umgangsweise damit. Erinnern wir uns doch daran, wie wertvoll wir alle sind und wie wertvoll das Leben ist. Machen wir Inventur über unsere Zivilisation, zerlegen wir sie bis ins Innerste, und schauen wir, ob wir eine schönere bauen können.

Während Covid unser Mitgefühl anregt, begreifen mehr und mehr von uns, dass wir nicht zu einer Normalität zurückkehren wollen, die dieses so schmerzhaft entbehrt. Wir haben jetzt die Gelegenheit, eine neue, barmherzigere Normalität zu formen.

Hoffnungsvolle Zeichen, das dies passiert, gibt es im Überfluss. Die Regierung der Vereinigten Staaten, die lange im Bann herzloser Konzerninteressen zu stehen schien, hat Hunderte Millionen Dollar locker gemacht und direkt an Familien ausgezahlt. Donald Trump, nicht unbedingt bekannt als ein Ausbund an Mitgefühl, hat einen Aufschub für Zwangsvollstreckungen und Zwangsräumungen angeordnet. Sicher kann man einen zynischen Blick auf diese beiden Entwicklungen werfen; nichtsdestotrotz verkörpern sie das Prinzip der Sorge für die Verwundbaren.

Aus der ganzen Welt hören wir Geschichten von Solidarität und Heilung. Ein Freund schrieb, dass er 100 $ an jeden von 10 Fremden gesandt hat, die in verzweifelter Not waren. Mein Sohn, der bis vor wenigen Tagen bei Dunkin’Donuts gearbeitet hat, sagte, dass die Leute fünf Mal so viel Trinkgeld gaben als normalerweise – und die sind Menschen aus der Arbeiterklasse, viele davon südamerikanische Lastkraftfahrer, die selbst in unsicheren wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Ärzte, Krankenschwestern und „unentbehrliche Arbeitskräfte“ in anderen Berufen riskieren ihr Leben, um dem Gemeinwohl zu dienen. Hier ein paar weitere Beispiele des Ausbruchs von Liebe und Güte, mit freundlicher Genehmigung von Service Space (www.servicespace.org)

„Vielleicht befinden wir uns mitten darin, uns in eine neue Geschichte einzuleben. Stellen Sie sich die italienische Luftwaffe vor, die Pavarotti einsetzt, das spanische Militär, das Dienstleistungen ausführt, und die Verkehrspolizei, die Gitarre spielt – um zu „inspirieren“. Konzerne, die unerwartete Lohnerhöhungen auszahlen. Kanadier die einen „Handel mit Güte“ beginnen. Eine Sechsjährige in Australien, die liebenswerter Weise das Geld der Zahnfee spendet, ein Achtklässler in Japan, der 612 Masken herstellt, und Gymnasiasten, die überall Lebensmittel für ältere Menschen einkaufen. Kuba, das eine Armee von „Weißkitteln“ aussendet, um Italien zu helfen. Ein Grundbesitzer, der seinen Pächtern gestattet, die Pacht auszusetzen, das Gedicht eines irischen Priesters, das sich über das Internet verbreitet, behinderte Aktivisten, die Handdesinfektionsmittel produzieren. Stellen Sie sich das vor. Manchmal spiegelt eine Krise unseren tiefsten Antrieb – dass wir immer mit Mitgefühl reagieren können.“

Wie Rebecca Solnit in ihrem wunderbaren Buch „A Paradise Built in Hell“ beschreibt, befreit eine Katastrophe oft die Solidarität. Eine schönere Welt schimmert gerade unter der Oberfläche und taucht immer dann auf, wenn die Systeme, die sie unter Wasser halten, ihren Griff lockern.

Lange Zeit sind wir, als Kollektiv, hilflos  im Angesicht einer immer kränker werdenden Gesellschaft dagestanden. Ob es sich nun um sinkende Gesundheit, zerfallende Infrastruktur, Depression, Selbstmord, Abhängigkeit, ökologische Verschlechterung, oder Konzentration von Reichtum handelt, die Symptome der kulturellen Misere in den entwickelten Ländern sind klar zu sehen, aber wir saßen in den Systemen und Mustern, die sie verursachen, fest. Nun hat uns Covid einen Neustart geschenkt.

Eine Million sich gabelnder Wege liegen vor uns. Ein universelles Grundeinkommen könnte ein Ende für wirtschaftliche Unsicherheit und ein Erblühen der Kreativität bedeuten, während Millionen von Arbeit befreit werden, von der Covid uns gezeigt hat, dass sie weniger notwendig ist als wir dachten. Oder aber es könnte – wenn kleine Unternehmen zugrunde gehen – Abhängigkeit vom Staat bedeuten für ein Gehalt, das mit strengen Konditionen einhergeht. Die Krise könnte in Totalitarismus hineinführen oder in Solidarität; in ein medizinisches Kriegsrecht oder eine ganzheitliche Wiedergeburt; in größere Angst vor der Welt der Mikroben oder in größere Widerstandsfähigkeit, wenn man an ihr teilnimmt; in dauerhafte Normen sozialen Abstandhaltens oder ein neues Verlangen, zusammenzukommen.

Was kann uns führen – als Individuen und als Gesellschaft, während wir im Garten der sich gabelnden Wege herumspazieren? Bei jeder Kreuzung können wir uns bewusst machen, wem wir folgen: der Angst vor Liebe, der Selbsterhaltung oder der Großzügigkeit. Sollen wir in Angst leben und eine Gesellschaft aufbauen, die darauf basiert? Sollen wir dafür leben, unsere getrennten Selbste zu bewahren? Sollen wir die Krise als Waffe gegen unsere politischen Feinde benützen? Das sind keine alles-oder-nichts-Fragen - nur Angst oder nur Liebe. Es bedeutet, dass ein nächster Schritt in die Liebe vor uns liegt. Es fühlt sich gewagt an, aber nicht leichtsinnig. Es schätzt das Leben, während es den Tod akzeptiert. Und es vertraut darauf, dass mit jedem Schritt der nächste sichtbar werden wird.

Denkt bitte nicht, dass Liebe der Angst vorzuziehen einzig und allein durch einen Willensakt erreicht werden kann, und dass auch die Angst wie ein Virus besiegt werden kann. Das Virus, dem wir hier gegenüberstehen, ist die Angst, ob es nun die Angst vor Covid-19 ist oder die vor einer totalitären Antwort darauf, und dieses Virus hat auch seinen Boden. Angst, zusammen mit Abhängigkeit, Depression, und einem Wirt für physische Krankheiten, gedeiht auf einem Boden von Trennung und Trauma: ererbtes Trauma, Kindheitstrauma, Gewalt, Krieg, Mißbrauch, Vernachlässigung, Scham, Bestrafung, Armut, und das stumme, zur Normalität gewordene Trauma, das fast jeden betrifft, der in einer vom Geld bestimmten Wirtschaft lebt, moderne Schulbildung durchläuft, oder ohne Gemeinschaft und Bindung an einem Ort lebt. Dieser Boden kann verändert werden, durch Traumaheilung auf persönlicher Ebene, durch einen systematischen Wechsel in Richtung einer mitfühlenderen Gesellschaft, und durch Transformation der grundlegenden Geschichte von Trennung: das getrennte Selbst in einer Welt des Anderen, ich getrennt von Dir, die Menschheit getrennt von der Natur. Allein zu sein ist eine Urangst, und die moderne Gesellschaft hat uns immer einsamer gemacht.. Aber die Zeit der Wiedervereinigung ist gekommen. Jeder Akt des Mitgefühls, der Güte, des Mutes, oder der Großzügigkeit heilt uns von der Geschichte der Trennung, denn er versichert sowohl dem Handelnden als auch dem Zeugen, dass wir uns gemeinsam in dieser Sache befinden.

Ich schließe, indem ich eine weitere Dimension der Beziehung zwischen Mensch und Virus anspreche. Viren sind wesentlich für die Evolution, nicht nur von Menschen, sondern von allen Eukaryoten (Tiere, Pflanzen und Pilze, a.d.Ü.). Viren können DNA von einem Organismus zum anderen übertragen, machmal, indem sie sie in die Keimbahn einbauen (wo sie dann vererbbar wird). Bekannt als horizontaler Gentransfer, ist dies ein grundlegender Mechanismus der Evolution, der es dem Leben gestattet, sich gemeinsam viel schneller zu entwickeln, als es bei zufälliger Mutation möglich wäre. Wie Lynn Margulis es einmal ausgedrückt hat: wir sind unsere Viren.

Und nun wage ich mich auf ein spekulatives Territorium. Vielleicht haben die großen Krankheiten der Zivilisation unsere biologische und kulturelle Evolution beschleunigt, indem sie genetische Schlüsselinformationen zur Verfügung gestellt und sowohl individuelle als auch kollektive Einweihung angeboten haben. Könnte die gegenwärtige Pandemie genau das sein? Neuartige RNA-Codes breiten sich von Mensch zu Mensch aus und füllen uns mit neuer genetischer Information; gleichzeitig empfangen wir andere, esoterische, „Codes“, die auf dem Rücken der biologischen daherkommen, unsere Geschichten und Systeme sprengen auf die gleiche Art wie Krankheit die Physiologie unseres Körpers stört. Das Phänomen folgt der Vorlage der Einweihung: Trennung von der Normalität, gefolgt von Dilemma, Zusammenbruch, oder einem Härtetest, denen (wenn es vollständig sein soll) Neuintegrierung und Freudenfeste folgen.

Nun erhebt sich die Frage: Einweihung in was? Was ist die spezielle Natur und der Zweck dieser Einweihung? Der populäre Name der Pandemie liefert einen Schlüssel: Coronavirus. Eine Corona ist eine Krone. „Neuartige Coronavirus-Pandemie“ bedeutet „eine neue Krönung für alle.“

Wir fühlen bereits die Macht dessen, was wir werden könnten. Ein wahrer Herrscher beherrscht und erobert nicht (das ist der Schattenarchetyp, der Tyrann). Der wahre Herrscher dient dem Volk, dient dem Leben und respektiert die Eigenständigkeit aller Menschen. Die Krönung markiert das Auftauchen des Unbewussten in das Bewusste, die Kristallisation von Chaos zu Ordnung, die Transzendenz des Zwangs zu Wahlfreiheit. Wir werden die Herrscher über das, was uns beherrscht hat. Die Neue Weltordnung, die die Verschwörungstheoretiker fürchten, ist der Schatten der großartigen Möglichkeit, die eigenständigen Wesen zur Verfügung steht. Wenn wir nicht länger Vasallen der Angst sind, können wir Ordnung ins Königreich bringen und willentlich eine Gesellschaft auf der Liebe erbauen, die bereits durch die Risse der Welt der Trennung scheint.

Übersetzung: Enja Margot Handler
Foto: © Enja Margot Handler, https://margothandler.wixsite.com/blue-elf-creations






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