Samstag, 23. Januar 2016

ÜBER DAS ERWACHT-SEIN IN EINER SCHLAFENDEN WELT



Wenn du erwacht bist, bist du nicht länger taub.

Du kannst dich nicht länger von der Wahrheit abwenden.

Du kannst Dich nicht länger mit den alten Märchen trösten, den Geschichten von Gut und Böse, mit positivem Denken.

Das Licht des Bewusstseins kann nicht abgedreht werden. Du kannst dich jetzt nicht mehr vor dir selbst verstecken. Es gibt kein Versteck.

Du lebst das Leben nackt. Und du spürst mehr als je zuvor, nicht weniger. Deine Bandbreite ist unendlich.  VoN der tiefsten Verzweiflung bis zur ekstatischsten Freude geht alles durch dich hindurch. Aber der Unterschied ist, dass du jetzt nicht mehr damit kämpfst. Du erlaubst allen Gefühlen, durchzufließen. Du beurteilst sie nicht oder versuchst, sie los zu werden. Du bist ihre Mutter, ihr Heiligtum. Du gibst niemand anderem mehr die Schuld.

Du hast keine fixe Identität mehr. Du weißt nicht mehr, wer du – aus der Perspektive des Verstandes – bist. Und trotzdem weißt du tiefer als je zuvor, wer du bist. Du bist lebendig. Du bist das Leben selbst, nicht zu trennen von den Sternen, dem Mond, den Blumen und den Bäumen.

Sie ist manchmal schwindelerregend, diese Freiheit – so als würde man in jedem Augenblick wiedergeboren,  so als würde man jeden Tag die alten Hoffnungen verlíeren.

Die Wirklichkeit ist ohne Boden, sie trieft von Ungewissheit. Du lebst am Punkt vollkommener Unsicherheit – nichts, an dem man sich festhalten könnte, kein Konzept, das einem müden Geist Trost spenden würde. Und trotzdem fühlst du die tiefste Sicherheit überhaupt, eine Sicherheit tief in deinen Knochen, die Sicherheit des Seins selbst. Du weißt, dass du deiner Erfahrung immer vertrauen kannst, auch wenn sie höllisch weh tut.

Du wirst von dir selbst nicht als „erwachte Person“ sprechen, du wirst dich selbst nicht für besser oder schlechter als jemand anderen halten, du wirst dich nicht darüber belügen, dass du über Antworten verfügst.

Du wirst kein großes Aufhebens von dir machen, denn das Ego ist die größte Illusion.

Es ist einfach, so vollkommen erwacht zu sein, denn es ist das mühelose Umfassen des gegenwärtigen Augenblicks. Aber es ist überhaupt nicht leicht, denn deine alte Realität ist in eine Million Teile zersprungen, der alte Schutz ist weg, und du bist ein Gefäß für all die Freude und den Schmerz der Welt, du kannst dir nicht vormachen, dass du noch länger die Kontrolle über hast. Es ist nicht leicht, dem Leben gegenüber so offen zu sein. Es ist nicht leicht, den ganzen Schmerz der Welt zu sehen. Es ist nicht leicht, sich manchmal als Fremder in einem fremden Land zu fühlen, während du zugleich klarer als je zuvor weißt, dass du Liebe bist und siehst, wie viele andere um dich herum so Vieles vergessen haben.

Es ist nicht leicht, nicht länger in die Systeme zu passen, die so viel Glück versprochen und so wenig davon eingelöst haben.

Und doch ist das der Preis, den du für die absolute Freiheit zahlst. Man kann nicht vollkommen erwacht sein, ohne die Träume von gestern vollkommen loszulassen. Man kann nicht leben, ohne das Altbekannte hinter sich zu lassen.

Ich verneige mich vor dem Mut derjenigen unter euch, die auf diesem erhebenden und zugleich erschreckenden Pfad wandeln.

Autor: Jeff Foster (www.lifewithoutacentre.com)
Übersetzung: Enja Margot Handler

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